Freitag, 31. Dezember 2010

Spaemann: Meister der logischen Fehlschlüsse


Robert Spaemann, deutscher Philosoph und Theologe, erfreut sich auch weiterhin einer großen Beliebtheit in der christlichen Apologetik-Community, die ich auch mit viel gutem Willen nicht nachvollziehen kann. Dieser selbsternannte Verteidiger des halluzinierten Naturrechts, welches übrigens rein zufällig mit seiner eigenen Meinung identisch ist, gab der katholischen Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur "Die Tagespost" ein ausführliches Interview.

Ich möchte mir nur ein Zitat herauspicken und auseinandernehmen. Man zähle die logischen Fehlschlüsse:
Tagespost: Warum muss man die Aufklärung vor sich selbst in Schutz nehmen? Ihrem Selbstverständnis nach ist sie doch der Mut, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Sie sollte also ganz gut alleine zurechtkommen ...
Spaemann: Der erste, der das sah, war Nietzsche. Nietzsche schreibt einmal, dass die Aufklärung letzten Endes zum Atheismus führe. Wenn aber dieses Ziel erreicht wird, wird die Aufklärung selbst sinnlos, denn sie bringt eine Voraussetzung mit, die sie vom Christentum geerbt hat, nämlich dass es Wahrheit gibt und – wie Nietzsche sagt – dass die Wahrheit göttlich ist. Wenn es Gott nicht gibt, sagte Nietzsche, dann gibt es keine Wahrheit, dann gibt es nur die individuellen Perspektiven jedes Menschen auf die Welt, und die Frage nach einer wahren Perspektive stellt sich nicht, denn das wäre die Perspektive Gottes. Wenn dem aber so ist, folgt daraus, dass das ganze Geschäft der Aufklärung rückblickend sinnlos war.
Quelle: die-tagespost.de
Ich komme auf insgesamt sechs Fehlschlüsse.

Erstens: Chewbacca-Verteidigung. Diese habe ich definiert als eine Argumentation, die von so vielen logischen Fehlschlüssen durchsetzt ist, dass eine Entwirrung der einzelnen auch unter größtmöglicher Anstrengung nicht mehr möglich ist. Ich möchte es aber trotzdem versuchen.

Zweitens: Strohmann-Argument. "Die Aufklärung basiert darauf, dass Wahrheit göttlich ist." Ehm. Nein.

Drittens: Argument von der Autorität. Spaemann setzt seine Argumentation eben nicht nur in den historischen Kontext ("Nietzsche war der erste"), sondern übernimmt Nietzsches Behauptungen unreflektiert ("wie Nietzsche sagt").

Viertens: Unbewiesene Behauptung (noch nicht in meine Liste aufgenommen). "Wahrheit kann nur göttlich sein." Auf dieser bloßen Behauptung stützt sich Spaemanns gesamte Argumentation. Der Sinn einer Argumentation sollte es aber sein, Strittiges auf weniger Strittiges zurückzuführen. Spaemann macht genau das Gegenteil.

Fünftens: Ein glatter Widerspruch in sich. "Nur Gott kann die Wahrheit kennen." Hier benutzt Spaemann die bei Apologeten allzu beliebte Lücke in der Erkenntnistheorie: "Ich weiß nichts mit absoluter Sicherheit, außer dass ich existiere." Diese Lücke basiert allerdings nicht auf der Unvollständigkeit des Wissens, sondern wird von der Subjektivität des Erkenntnisgewinns verursacht. Selbst wenn der personale Gott also allwissend wäre (eine weitere unbewiesene Behauptung), dann hätte auch er keinen Zugriff auf die absolute Wahrheit, eben weil er ein Individuum wäre. Entweder ist Gott also personal oder es hat Zugang zur Wahrheit im Spaemannschen Sinne.

Sechstens: Falsche Dichotomie. "Wenn es nicht die göttliche Wahrheit gibt, dann bleibt nur die subjektive Perspektive der Menschen übrig." Und hier "vergisst" Spaemann intersubjektive Wahrheiten, also Wahrheiten die für mehrere Individuen gleichermaßen erkennbar sind. Zufällig basiert die Naturwissenschaft auf eben diesem Wahrheitsbegriff und Spaemann ignoriert schlicht diese ihm so verhasste Methode zum Erkenntnisgewinn.

Ausserdem tritt Spaemann dann noch gegen Homosexuelle:
Ein Mensch, dem die natürliche Anziehung durch das andere Geschlecht fehlt, kann in vieler Hinsicht ein edler und guter Mensch sein. Das ändert aber nichts daran, dass durch das Fehlen heterosexueller Attraktion ihm etwas Wichtiges fehlt.
Was soll man dazu noch sagen?