Man führe sich das Weltbild des gemeinen Himmelüberwachungskamera-Gläubigen vor Augen. Sucht man nun in diesem Weltbild nach widersprüchlichen Glaubensinhalten, so wird man sicherlich schnell fündig. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, welchen Maßstab man anlegt. Widersprüche, Ungereimtheiten und Absurdes findet man auf jeder Vergrößerungsstufe. Das Weltbild ist skaleninvariant falsch.
Trauriger weise lieferte jüngst Anton Zeilinger, der auch in der Öffentlichkeit bekannte Quantenphysiker und Professor an der Universität Wien, einen überzeugenden Beleg für diese Hypothese. In dem mit "Zeilinger: Gott darf nicht beweisbar sein" betitelten Interview auf presse.com sprach Zeilinger über Gott, Quanten und der Feinabstimmung.
Natürlich ist ein Interview nicht der gerade der geeignetste Ort, um ein konsistentes Weltbild zu entwickeln. Aber hier gilt in dubio contra reo. Wenn man nicht sagt, was man meint, sollte man lieber nichts sagen, meine ich. Beginnen wir also mit den Details.
Zeilinger: Aber dieser objektive [sprich quanten-mechanische] Zufall wäre tatsächlich eine Möglichkeit für Gott einzugreifen, ohne dass er mit den Naturgesetzen in Widerspruch gerät. Natürlich nur, wenn er das so selten macht, dass er die Gesetze der Wahrscheinlichkeit nicht verletzt. Wenn er alle Teilchen immer nach links lenken würde, müsste man irgendwann sagen: Da stimmt etwas nicht.
Dieses Modell für Gottes Eingreifen in unser Weltgeschehen ist in sich widersprüchlich. Wenn der transzendente Himmelsbart auch nur ein einziges Mal eingreift, um den objektiven Zufall aufzulösen und ein Teilchen hierhin statt dorthin zu schicken, hat er bereits die Naturgesetze verletzt. Wenn Gott entscheidet, dass das Teilchen hier zu sein hat statt dort, dann ist das ja gerade kein objektiver Zufall mehr. Zeilinger konstruiert hier bloß einen Mechanismus mit dem Gott eingreifen kann, ohne dass wir den Bruch der Naturgesetze bemerken würden. Aber wozu braucht ein allmächtiger Gott dafür die Quantenmechanik?
Des weiteren ist dem werten Herrn Professor offensichtlich nicht klar, was er mit dieser Aussage impliziert. Je mehr wir verstehen und beobachten, desto weniger kann Gott eingreifen. Tatsächlich ist es so, dass Zeilinger selbst mit seinen Experimenten Gottes Möglichkeiten zur Manipulation des objektiven Zufalls einschränkt. Außerdem könnten wir ja leicht ein Eingreifen Gottes ausschließen, in dem man einfach einen beobachtetenden Wissenschaftler hin stellt. Gott wird damit beherrschbar und ich bin mir sicher, dass Zeilinger und alle anderen Gläubigen ein Problem damit hätten. Ich übrigens nicht.
Zeilinger: Ich verstehe auch gar nicht, warum man sich bemühen soll, die Existenz Gottes zu beweisen oder sie logisch herzuleiten. Gott darf nicht beweisbar sein. Wenn wir mit Sicherheit wüssten, dass es einen Gott gibt, dann gäbe es in der Folge das Gute nicht mehr: Dann bleibt doch nur noch ein rein opportunistisches Verhalten übrig!
Interessant. Und die Mitglieder der Glaubensschafherde, die hoffen oder glauben oder die Gewissheit haben oder gar wissen, dass es Gott gibt und demnach nicht in der Hölle landen wollen, handeln nicht opportunistisch?
Zeilinger: Es ist eine Tatsache, dass unsere Welt offensichtlich so konstruiert ist, dass also die Naturgesetze genau so beschaffen sind, dass Leben möglich ist. Es gibt etwa Untersuchungen, dass zum Beispiel Kohlenstoff nicht existieren würde, wenn die Naturkonstanten nur ein kleines bisschen anders wären. Kohlenstoff entsteht ja im Inneren von Sternen – und ohne Kohlenstoff kein Leben.
Hier bedient sich Zeilinger des schon lange dekonstruierten Feinabstimmungsargument und macht sich zusätzlich noch des Kohlenstoff-Chauvinismus schuldig. Kurz zusammengefasst, lässt sich das Feinabstimmungsargument so zerlegen. Die Naturkonstanten sind nicht auf uns abgestimmt, sondern wir auf die Naturkonstanten. Es ist nämlich alles andere als offensichtlich, dass sich in einem Universum mit anderen Naturkonstanten oder gar anderen Naturgesetze keine selbstbewusste Lebewesen entwickeln könnten.
Ehrlich gesagt ist es mir sogar peinlich, dass sich ein Vertreter meiner Zunft so unqualifiziert zur Feinabstimmung äußert. Offensichtlich hat Zeilinger nicht einmal den entsprechenden Wikipedia-Artikel gelesen - ganz zu schweigen von besseren Quellen wie zum Beispiel der Essay von Victor Stenger: "Natural explanations for the anthrpoic coincidences" (pdf).
Aber genug des Kleinkleins. Zoomen wir ein wenig aus den Details heraus und wenden uns dem Großen und Ganzem zu.
Einerseits behauptet Zeilinger, dass Gott nicht beweisbar sein dürfte. Andererseits bemüht er im Widerspruch dazu das Feinabstimmungsargument und legt mit diesem die Existenz Gottes nahe. Was denn nun? Hü oder Hott?
Richtig lustig wird es aber erst, wenn man das Feinabstimmungsargument in diesem Zusammenhang tatsächlich ernst nimmt. Denn dann bleiben einem bei der Begründung der beobachteten Größen der Naturkonstanten nur zwei Möglichkeiten. Entweder verdanken wir unsere Existenz einem unendlichen Zufall oder Gott hat die Naturkonstanten richtig gewählt.
Die Lücke für Gottes Nichtbeweisbarkeit ist mithin genau so groß, wie die Wahrscheinlichkeit für die beobachtete Wahl der Naturkonstanten klein ist. Je besser das Feinabstimmungsargument funktioniert, desto kleiner wird die notwendige Lücke für Gottes Nicht-Existenz. Letzteres darf aber nicht sein, weil sonst nur opportunistisches Verhalten übrig bliebe.
Oder überspitzt formuliert: Entweder glaubst Du, dass Du im Lotto die nächsten 50 Jahre jeden Samstag einen Sechser tippst oder Du kannst nicht gut sein.
Herzlichen Glückwunsch, Herr Zeilinger! Diese Argumentation ist wirklich rasiermesserscharf. Übrigens soll ich schöne Grüße von Ockham ausrichten.
Was man sonst noch so alles an dem Interview aussetzen kann, erfährt der interessierte Leser auf der entsprechenden Kommentarseite des Atheist Media Blogs.