Hilft beten oder hilft beten nicht? Diese Frage wird wohl schon seit Urzeiten kontrovers diskutiert. Bisher konnten Skeptiker auf natürliche oder statistische Phänomene verweisen und so die Argumente der Gläubigen entkräften. Doch nun hat sich der Kardinal von Neapel, Crescenzio Sepe, entschlossen, die Frage ein für alle mal zu klären.
Sepe hat sich bereit erklärt, mehrere tausend Mitglieder seiner Gemeinde und wallfahrtende Pilger für den bisher wohl größten Test zur Effektivität des Gebetes als Probanden zur Verfügung zu stellen. Am kommenden Freitag werden die Schäflein dem Blutwunder von Neapel beiwohnen. Dabei handelt es sich um eine kleine Ampulle, in der sich das getrocknete Blut von Januarius, Patron Neapels, befinden soll. Dreimal im Jahr wird diese Ampulle geschüttelt und Kraft der mysteriösen Chemie verflüssigt sich das "Blut" - ein gutes Omen. Daraufhin wird die Ampulle von Gläubigen zu Gläubigen weitergereicht und von jedem berührt oder geküsst.
Im Jahr der Schweinegrippe gab es natürlich völlig zu Recht die Sorge, dass der Virus mit den Gläubigen ein besonders leichtes Spiel haben wird. Aber, so berichtet die Nachrichtenagentur ap,
[Sepe] habe mit Ärzten und Wissenschaftlern über die möglichen Gefahren gesprochen [...]. Er glaube an «die Macht des Gebets und den Schutz» des Heiligen.
Quelle: ap
Sepe ist also trotz der gesundheitlichen Bedenken wild entschlossen den Test durchzuführen und setzt all sein Hoffnungen auf die Macht des Betens und des seit 1700 Jahren toten Schutzpatrons.
Nehmen wir mal an, dass 10.000 Gläubige an diesem Wunder elementarer chemischer Prozesse teilnehmen und die Ampulle küssen werden. Gehen wir weiter davon aus, dass die Infektionsrate bei mageren 10% liegt, so werden etwa 1000 Gläubige an Schweinegrippe erkranken. Nun stirbt etwa eine von tausend infizierten Personen, und so können wir erwarten, dass ein Gläubiger durch den Kuss sterben wird.
Wir können Sepe für die Entscheidung trotz dieses Risikos mit dem Test fortzufahren nur gratulieren. Das Leben eines Menschen ist sicherlich weniger wert als die Gewissheit, dass Beten und Schutzheilige nicht funktionieren. Leider ist nicht bekannt, ob Sepe selbst -vorzugsweise als letzter Küsser- an diesem Experiment teilnehmen wird.