Montag, 7. Dezember 2009

Ein Märchen über Erkenntnistheorie - Teil Eins

Frau Eule: Seien Sie mir gegrüßt, Herr Fuchs.

Herr Fuchs: Einen wunderschönen Guten Tag, Frau Eule.

Frau Eule: Was treibt sie denn heute zu meinem Baum?

Herr Fuchs: Wie jeden Tag, Frau Eule, möchte ich mich von der Sonne ihres unerreichten Intellekts wärmen lassen. Welche erstaunliche Erkenntnis hatten sie denn in der letzten Nacht?

Frau Eule: Ich konnte endlich ein Problem lösen, an dem ich schon lange knabbere.

Herr Fuchs: Dabei muss es sich ja um ein außerordentlich schwieriges Problem handeln. Obwohl ich mit meinem eher durchschnittlichen Verstand sicherlich nicht das Rüstzeug habe, um ihren genialen Ausführungen folgen zu können, möchte ich es doch wagen nachzufragen. Um welches Problem handelt es sich denn?

Frau Eule: Ist Eins plus Eins gleich Zwei.

Herr Fuchs: Aha... Und? ist Eins plus Eins gleich Zwei?

Frau Eule: Natürlich, Herr Fuchs. Stellen Sie sich bitte nicht dümmer als Sie sind. Aber können wir uns auch wirklich sicher sein, dass Eins plus Eins gleich Zwei ist?

Herr Fuchs: Hmmm... Da haben Sie natürlich Recht. Vielleicht prüfe ich das besser nochmal nach. Dahinten sehe ich einen Baum und sie sitzen ja auf einem weiteren. Macht also ein Baum plus noch einen Baum und das ergibt... Moment, ich zähle besser nochmal nach... Eins, Zwei. Ja, macht Zwei. Eins plus Eins macht also Zwei.

Frau Eule: Aber wie können Sie sich da so sicher sein? Können sie mit hunderprozentiger Sicherheit ausschließen, dass Sie sich nicht verzählt haben? Vielleicht hat ja auch ihre Zählmethode ihre Schwächen und vielleicht sind Sie sich diesen noch nicht einmal bewusst! Um wirklich sicher zu sein, dass Eins plus Eins Zwei ergibt, brauchen wir einen Beweis, Herr Fuchs! Einen hundertprozentigen, absolut wasserdichten Beweis!

Herr Fuchs: Und dieser ist Ihnen heute Nacht gelungen?

Frau Eule: Das will ich wohl sagen. Dafür musste ich zwar tief in die Mengentheorie einsteigen - ich will Sie nicht mit den Details belästigen - aber letztendlich und mit größter Anstrengung war ich erfolgreich.

Herr Fuchs: Das ist ja wunderbar. Endlich wissen wir mit absoluter, hundertprozentiger Sicherheit, dass Eins plus Eins Zwei ergibt. Bravo, Frau Eule. Bravo!

Frau Eule: Oh. Vielen Dank, Herr Fuchs. Sie schmeicheln mir.

Herr Fuchs: Allerdings fällt mir da gerade auf...

Frau Eule: Och nee... Sie immer mit Ihren Einwänden, Herr Fuchs.

Herr Fuchs: Nun ja. Das ist mit Sicherheit eine blöde Idee, die ich wohl nur deshalb habe, weil ich ja nicht so gescheit bin wie Sie. Aber wenn wir wirklich zu hundertprozent und ohne jeden Zweifel sicher sein wollen, dass Eins plus Eins Zwei ist, müsste man dann nicht ihren Beweis beweisen?

Frau Eule (perplex): ... Wie meinen Sie?

Herr Fuchs: Nun ja. Es könnte sich doch ein Fehler in ihrem Beweis eingeschlichen haben oder ihre Beweismethode könnte eine Schwäche haben, der Sie sich überhaupt nicht bewusst sind.

Frau Eule: ... hmm.... das stimmt eigentlich. Vielleicht könnte man ja bei der Cantorschen Diagonalmethode ansetzen und auf ein reductio ad absurdum hinarbeiten...

Herr Fuchs: Na, dann störe ich Sie lieber nicht weiter. Auf Wiedersehen, Frau Eule.

Frau Eule (tief in Gedanken versunken): Oh?... ja... Auf wiedersehen. Mal schaun. Wenn man vom strengen TNT ausgeht und die Arithmoquinierung irgendwie auf sich selbst anweden könnte...

Morgen gehts weiter.