Sechzehn Monate verbrachte Phil Zuckerman, Soziologie-professor an der Pitzer University, in Dänemark und Schweden, um sich des Studiums eines in der Soziologie sträflich vernachlässigten Themas zu widmen: Der Nichtglaube.
Die beiden skandinavischen Länder gehören zu den ungläubigsten Ländern der Welt. Gerade mal 24% der Dänen und 16% der Schweden glauben an einen personalen Gott. Der Glaube spielt im öffentlichen Leben praktisch keine und in der Politik überhaupt keine Rolle. Doch gleichzeitig erzielen Dänemark und Schweden in Bereichen sozialer Indikatoren regelmäßig Spitzenplätze (bspw. Kriminalitätsrate, Bildung, Gesundheitssystem, Einkommensgerechtigkeit, persönliches Glück). Offenbar braucht eine Gesellschaft keinen Gott, um gut oder ethisch oder glücklich zu sein. Doch warum?
In seinem Buch „Society without God“ berichtet Zuckerman von seinen Forschungsresultaten, die sich zusammen mit offiziellen Statistiken aus seinen 150 geführten Interviews speisen. Das Buch ist allerdings kein trockener Forschungsbericht. Vielmehr benutzt Zuckerman einen sehr persönlich-anekdotischen Stil, in dem er zum Beispiel Auszüge von Interviews wortwörtlich zitiert - leider ohne dabei die vielen „ähms“ und Pausen zu vergessen, was zu mindestens mir ziemlich auf den Keks ging.
Meiner Auffassung nach geht es Zuckerman inhaltlich um folgende Ziele.
- Widerlegung der bis zum Erbrechen gehörten These, dass eine Gesellschaft Gott bräuchte, um gut zu sein.
- Gründe für den erstaunlichen Säkularisierungsgrad in den beiden Ländern zu finden (Ich werde in einem späteren Beitrag darauf eingehen).
- Aufforderung an Soziologen das Leben der Atheisten und nicht religiösen Menschen zu untersuchen (und damit den Fluss zukünftiger Forschungsgelder zu sichern).
Der Stil des Buches lässt aber noch ein ganz anderes Ziel vermuten. So scheint mir der prägnant persönliche Stil darauf hinzudeuten, dass Zuckerman die dämonisierten, weil atheistischen Mitmenschen dem amerikanischen Durchschnittschristen sympathischer machen möchte.
Einen wirklichen Kritikpunkt an diesem Buch habe ich aber. So behauptet Zuckerman, dass ein Faktor der nicht vorhandenen Religiosität in Dänemark und Schweden das lange Fehlen äußere Feinde sei, legt aber in einem späteren Kapitel die deutlichen Parallelen zwischen Juden und Skandinavier offen. Zwar sind Gruppen bzgl. ihres starken Säkularisierungsgrades vergleichbar. Aber man kann wohl kaum behaupten, dass sich die Juden in ihrer Vergangenheit über zu wenig Feinde beklagen können. Natürlich lässt sich dieser scheinbare Widerspruch leicht auflösen (äußere Feinde stellen nur ein Faktor unter vielen dar), aber es wäre schön gewesen, wenn Zuckerman wenigstens darauf eingegangen wäre.
Insgesamt empfehle ich die Lektüre dieses Buches gerade den Gläubigen, denen der versöhnliche Schreibstil des Buches sehr entgegen kommen wird.